Seit dem Erfolg von Margarete Stokowskis "Untenrum frei" flutet ein Strom von feministischen Sachbüchern die Regale der Buchläden. Manchmal geht es darin um tatsächliche neue Ansätze oder Forschungsergebnisse, oft werden aber die immer gleichen Themen ständig wiedergekäut.
Die Titel setzen zwar einen thematischen Schwerpunkt, mal geht es um Mansplaining, Mutterschaft oder stereotype Rollenbilder. Allerdings sind die Inhalte stets eine Variation der immer gleichen Themen. Sie erklären zum hundertsten Mal internalisierte Misogynie, beschreiben noch mal genau, was der Gender-Pay-Gap über strukturelle Ungleichheiten aussagt und beleuchten das Thema Body Shaming ein weiteres Mal aus ganz persönlicher Perspektive.
Schauen wir uns die in den letzten Jahren erschienen Titel "Es kann nur eine geben" von Caroline Kebekus, "Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!" von Alexandra Zykunov, oder "Dramaqueen" von Tara-Louise Wittwer an. Alles Bestseller. Alles unterhaltsame Bücher, nach deren Lektüre der Grundkurs Feminismus bestanden werden kann. Sie bieten allerdings außer der persönlichen Perspektive der Autorin keine neuen Erkenntnisse. Alle behandelten Problematiken wurden schon an zig anderen Stellen erläutert. Und zwar nicht in wissenschaftlichen Publikationen, sondern genauso leicht konsumierbar. Aus einer Variation der immer gleichen Leseliste, den beliebtesten Infoposts von Instagram und einem Hauch persönlicher Erfahrung wird sich das eigene Werk zusammengefrickelt. Eine Art literarisches Frankensteinmonster.
Neueinsteiger*innen schadet es nicht, eine recht zugängliche Einführung zur Hand zu haben.Aber muss wirklich jede*r von seiner*ihrer persönlichen Lieblingsfeminist*in an die Hand genommen werden?
Diese Austauschbarkeit wird besonders deutlich in einer Episode um die Autorin Florence Given. Ihr Buch "Women Don't Owe You Pretty", ein Werk, dessen Feminismus so weichgespült ist, dass es eher in die Kategorie Selbsthilfe gehört, war in den USA ein Megabestseller. Nach dem Erscheinen wurde Given von ihrer Schriftstellerkollegin Chidera Eggerue Given des Plagiats bezichtigt. Bezeichnend ist, dass es dabei weniger um den konkreten Inhalt ging, sondern vor allem um die Tatsache, dass Eggerue kurz zuvor selbst ein popfeministisches Buch mit markanten grafischen Gestaltungselementen auf den Markt gebracht hat.
Durch diese Dauerschleife tritt der feministische Diskurs nicht nur auf der Stelle, er fällt in einigen Bereichen sogar hinter bestehende Forderungen zurück. Zumal die Inhalte, die am liebsten wiedergekäut werden, zwar plakative Symptome des Patriarchats sind, aber kaum an dessen Wurzeln rütteln.
So hat zum Beispiel das Schlagwort "internalisierte Misogynie" in letzter Zeit eine steile Karriere gemacht. Kaum eine feministische Schrift kommt ohne es aus. Kein Wunder, es klingt wissenschaftlich fundiert, enthüllt die perfiden Taktiken des Patriarchats und behandelt doch alles auf einer persönlichen Ebene. Kein Grund, ein Politikum daraus zu machen. Dabei bleibt mir immer noch unklar, ob es sich dabei um eine Frauenfeindlichkeit handelt, die ich vor allem gegen das Selbst richtet oder um eine, die sich im Verhalten von Frauen zu anderen Frauen widerspiegelt. Letztere wird in meiner Wahrnehmung aber häufiger thematisiert.
Durch die ständige Rezitation durch die gängigen Social Media und die Medienbubble hat dieser analytische Begriff ein absurdes Eigenleben entwickelt. Gerne wird er benutzt, um Kritik jeglicher Art an Frauen abzuschmettern, oder er geht mit Appellen à la: "Habt euch alle lieb!", "Jede Frau ist eine Königin!", "Wir müssen uns doch gegenseitig unterstützen!" einher.
Dabei wusste schon Hedwig Dohm, dass man nicht in jeder Frau eine Verbündete im Kampf gegen das Patriarchat findet, wie sie im Kapitel "Weib gegen Weib" ihrer 1902 erschienenen Streitschrift "Die Antifeministen" beschreibt. Für diesen Umstand ist ja gerade die internalisierte Misogynie eine Ursache. Aber in der populären Interpretation wird daraus ein Harmoniezwang, der von echter feministischer Solidarität nicht weiter entfernt sein könnte. Dohm beschreibt eine ähnliche Situation bereits vor 120 Jahren: „Hauptsächlich ist es das Vereinswesen, das den Antipathien gegen die Frauenrechtlerinnen zugrunde liegt, es sind die gelegentlichen geistigen Raufereien in den Vereinen, die persönlichen Disharmonien, die ab und zu wie Hagelschauer […] unter ihnen niedergehen“. Der Vorwurf "internalisierte Misogynie" hat daher gute Chancen, den Begriff "Stutenbissigkeit" abzulösen, der sonst gerne bei jedem Konflikt unter Frauen aus der Schublade gezogen wird und der natürlich selbst hochgradig misogyn ist.
Immerhin schon in den 1970er-Jahren angekommen, ist die aktuell wieder aufflammende "Lohn für Hausarbeit"-Kampagne. Mit beeindruckenden Rechnungen, auf denen detailliert die verschiedenen Tätigkeitsbereiche mit entsprechender Bepreisung aufgelistet wurden, machten Mütter unlängst auf ihre finanziellen Einbußen aufmerksam. Mit der Forderung, der Staat müsse für Sorgearbeit eine gerechte Entlohnung zahlen, da sie ein Rückgrat der Gesellschaft (und des Kapitalismus) bildet. Weniger oft rezitiert wird allerdings die schon in den 70ern berechtigte Kritik an der Kampagne, wie die Kontrolle dieser neuen Lohnarbeit dann aussehen werde.
Viele sahen einen letzten, von Frauen selbstverwalteten, Arbeitsbereich bedroht und unter die Räder einer kapitalistischen Logik geraten. Dass eine Skepsis gegenüber bezahlter Hausarbeit nicht unangebracht ist, wird spätestens deutlich, wenn eins im Programm der AFD zur Niedersachsenwahl 2022 einen ganz ähnlichen Vorschlag findet: Die gute Hausfrau, die sich noch selbst um ihre Kinder kümmert, sollte mit einem Landeserziehungsgeld von 500 Euro im Monat belohnt werden, denn immerhin gibt der Staat ja auch 1000 Euro zu jedem Kitaplatz dazu. Zwar soll nur die Kinderbetreuung für Kleinkinder entlohnt werden, aber daraus lässt sich schon ablesen, wohin die Reise hingehen könnte, wenn die Politik der "Lohn für Hausarbeit"-Forderung nachkäme. Auch ohne AFD-Beteiligung: Der Ausbau der Kitaplätze würde noch mehr vernachlässigt werden. Das Gehalt für die "Hausfrau" würde wohl am Gehalt eine*r*s Erzieher*in gemessen werden und nicht genug für eine ordentliche Rente hergeben. Selbst mit einem Hausarbeitsgeld aus dem Bilderbuch würden die Kümmernden zwar finanziell entlastet werden, an ihrer häuslichen Belastung, der familiären Verpflichtungen und nicht zuletzt der Isolation würde sich aber nichts ändern.
Es wundert also nicht, dass sich die Aktivistin und Philosophin Silvia Federici, die lange eine Verfechterin der "Lohn für Hausarbeit"-Kampagne war, sich später der sehr viel umfassenderen Idee der Commons zuwandte. Eine Lösung, die statt dem eher individualistischen Ansatz eine gemeinschaftliche Praxis wählt, mit dem Ziel, Reproduktion auf Selbstorganisation, kollektiver Arbeit und kollektiven Entscheidungsprozessen aufzubauen. Diese weiterführenden Ideen werden außerhalb der Nische feministischer Lesekreise aber nicht diskutiert. Es mag daran liegen, dass die Grundlagentexte für eine breite Rezeption zu akademisch sind. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass dieser Ansatz eine Praxis erfordert, die an den Grundfesten des Kapitalismus rüttelt. Und dass diejenigen, die sich am lautesten für "Lohn für Hausarbeit" einsetzen, dann doch zu stark vom Kapitalismus profitieren, um sich ernsthaft mit ihm anlegen zu wollen.
Es hat natürlich viel mit kapitalistischer Verwertungslogik zu tun, wenn die eigentlich gleichen Inhalte nochmal einen neuen Hut aufbekommen und als Neuheit vermarktet werden. Vor allem, wenn diese Inhalte nur an der Oberfläche kratzen und kaum Lösungsansätze, geschweige denn Visionen bietet. Zwar ist es legitim, Problematiken erst mal aufzuzeigen, ohne für alles sofort den großen Masterplan zu haben. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass das ewige Runterbeten patriarchaler Mechanismen diese eher zementieren als zerlegt. Um Kraft und Mut für Veränderung zu schöpfen, braucht es aber die Perspektive eines positiven Gesellschaftsentwurfs. Wenn nicht sogar echte Utopien.